Veganuary zwischen Nachhaltigkeit & Gesundheit - Was der weltweite Neujahrsvorsatz eines veganen Januars schafft, und was nicht.
Freitag, Januar 14, 2022Selbst den überzeugtesten Fleischessern, wird es nicht entgangen sein, dass das Sortiment an pflanzlichen Fleischersatzprodukten sich in den vergangenen Jahren immens ausgeweitet hat. Allein von 2019 zu 2020 um +39%. Neben Fleisch- und Fischalternativen, gibt es auch zahlreiche pflanzliche Milchersatzprodukte: von Mandel-, Hafer und Sojamilch, über Kokosjoghurt und Hafersahne bis hin zu Cashewkäse.
Ursprung und Zweck des "Veganuary"
2014 organisierte eine die britische gemeinnützige Organisation Veganuary den ersten gleichnamigen Veganuary. Mittlerweile ist daraus eine globale Bewegung geworden, der sich nicht nur unzählige Menschen, sondern auch Unternehmen und Prominente angeschlossen haben, um ihre Reichweite dazu zu nutzen, vegane Ernährung zu verbreiten. So haben im Januar 2021 mehr als eine halbe Millionen Menschen an der Challenge teilgenommen. Zudem haben 170 deutsche Unternehmen aktiv den Veganuary beworben und zum Teil vegane Alternativen gelaunched: unter anderem IKEA, Subway, Lieferando, McDonalds so wie die Discounter Aldi und Lidl, die ihre vegane Eigenmarkte nun auch dauerhaft im Sortiment haben.
Veganuary ist also nicht mehr nur eine individuelle Challenge, in der Teilnehmer:innen beispielsweise durch Rezepte, Restaurant- und Produktempfehlungen unterstützt werden, sich vegan zu ernähren. Vielmehr geht es darum einen gesellschaftlichen Wandel anzuregen, der bereits auf unternehmerischer Ebene, der globalen Lebensmittelkonzerne beginnt und bei Verbraucher:innen endet. Und das nicht nur im Januar, sondern auch in den darauf folgenden Monaten. Grundsätzlich also.
„Eine vegane Ernährung ist eine der effektivsten Maßnahmen, um die Umwelt zu schützen, Tierleid zu vermeiden, den Klimawandel aufzuhalten und die Gesundheit von Millionen Menschen zu verbessern.“
Nachhaltige Entwicklung & Ernährung
Hinter diesem Ziel von Veganuary versteckt sich nichts anderes als die Definition von Nachhaltigkeit. Im Brundtland-Report von 1987 wurde festgehalten, was nachhaltige Entwicklung bedeutet: „Humanity has the ability to make development sustainable – to ensure that it meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs.“ Das heißt, eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung, die die Bedürfnisse aktueller Generationen befriedigt, ohne die Bedürfnisse künftiger Generationen zu gefährden. Bei der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (UNCED) in Rio de Janeiro 1992 wurde das Leitbild der Nachhaltigkeit offiziell zum global akzeptierten Leitmotiv wodurch theoretisch die Normen und Regeln einer nachhaltigen Entwicklung das gesellschaftliche Handeln bestimmten sollten. Diese umfassten zu Beginn drei Dimensionen der Nachhaltigkeit: wirtschaftliche Effizienz, soziale Gerechtigkeit, ökologische Tragfähigkeit. Diese drei Säulen sind also nicht nur (natur-)wissenschaftlich, sondern auch ethisch und moralisch begründet. Im Jahr 2015 wurden 17 Sustainable Development Goals (SDG’s) beschlossen, um innerhalb von 15 Jahren, also bis 2030, global Maßnahmen zu nachhaltiger Entwicklung zu initiieren. In diesen wird deutlich, dass es neben den genannten Dimensionen der Umwelt, der Wirtschaft und der Gesellschaft, auch vermehrt um das Individuum beziehungsweise dessen Gesundheit geht.
Auf die Ernährung bezogen bedeutet das, dass sie nicht nur umweltverträglich, wirtschaftlich tragfähig und sozial gerecht produziert werden soll, sondern auch gesundheitlich förderlich sein soll.
Durch diverse Fair-Trade, Bio und Nachhaltigkeits-Logos sowie Gesundheitsclaims hat der Lebensmittelmarkt in den letzten Jahren auf die Forderung nach einer nachhaltigen Entwicklung reagiert. Auch der Begriff "nachhaltig" sowie die Begriffe "klimaneutral" oder "klimafreundlich" sind zu festen Bestandteilen von Marketingkampagnen geworden. Einige mögen dahinter Greenwashing sehen, andere durch den Kauf entsprechender Lebensmittel das eigene Gewissen beruhigen. Beispielsweise auch um den nicht getanen Schritt zu einer veganen oder vegetarischen Ernährungsweise zu rechtfertigen.
Was auch immer die persönliche Einstellung zu einer veganen Ernährungsweise oder vermeintlich biologischen oder nachhaltigen Produkten sein mag: Fakt ist, dass nicht genügt, wenn sich ein Bruchteil der Menschen einen Monat im Jahr vegan ernährt, um das Ziel einer nachhaltige Entwicklung im Bereich des Lebensmittelsektors zu erreichen. Fakt ist aber auch, dass eine vegane Ernährung für die meisten keine langfristige Alternative darstellt und es zudem ohne Supplementierung vor allem von Vitamin B12, aber gegebenenfalls auch von Jod, Eisen, Calcium und Omega-3-Fettsäuren zu Mangelerscheinungen kommen kann.
Die Planetarian Health Diet
Im Jahr 2019 hat die EAT-Lancet Comission den EAT-Lancet Report, einen umfassenden wissenschaftlichen Review, veröffentlicht, wie eine gesunde Ernährung, für eine wachsende Weltbevölkerung, unter Beachtung der planetarischen Grenzen sichergestellt werden kann. Das Ergebnis ist die Planetarian Health Diet, also eine pflanzenbasierte Ernährung. Das heißt jedoch nicht, dass es sich um eine vegane oder vegetarische Ernährung handeln muss, sondern dass der Großteil der Ernährung pflanzlich ist; sich also aus Gemüse, Obst, Getreide und Hülsenfrüchten sowie Nüssen, Samen und pflanzlichen Ölen zusammensetzt.
Das bedeutet, dass tierische Produkte und auch Fleisch sowie Fisch auf den Speiseplan gehören (können), jedoch in geringen Anteilen. Dies meint aber auch, dass eine vegane sowie vegetarische Ernährung (unter Beachtung notwendiger Supplemente) dazu beitragen eine nachhaltige Entwicklung im Lebensmittelsektor zu unterstützten.
So wird folgende, symbolische Verteilung der Lebensmittelgruppen in der täglichen Ernährung vorgeschlagen:
via Eat Forum: The Planetaian Health Diety Health |
Die Hälfte der Ernährung sollte aus Gemüse und Obst bestehen. Die andere Hälfte vor allem aus Vollkorngetreide und Hülsenfrüchten also pflanzlichen Proteinquellen; sowie Fettquellen mit vorranging ungesättigten Fettsäuren beziehungsweise pflanzlichen Ölen. Zugesetzter Zucker und stärkehaltige Gemüse können ebenfalls in geringen Mengen die Ernährung ergänzen. Milchprodukte, Fleisch und Fisch sollte nur in moderaten Mengen gegessen werden.
Während Endverbraucher:innen durch ihre Nachfrage die Möglichkeit haben, das Angebot auf dem Markt zu beeinflussen, sollte trotzdem nicht übersehen werden, dass die Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Das heißt, auch die Politik und die Wirtschaft in Verantwortung gezogen werden müssen, um die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen und langfristig eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen.
In diesem Sinne ist Veganuary sicherlich eine Möglichkeit, einige Menschen bei ihrem Neujahrsvorsatz einer nachhaltigeren Ernährung zu unterstützten. Doch es ist nur der erste Schritt auf einem langen Weg des Umdenkens und Neugestaltens.
Zum Weiterlesen:
___________________________________________________________________________________
0 x