KUNST | Holiday Park: Über Fürsorge, Arbeit und Erholung in Caroline Walkers Malerei

Es ist mein Urlaub und ich kann mein Glück kaum fassen: Pünktlich zu meiner Ankunft in New York zeigt die Grimm Gallery Caroline Walkers Sol...


Es ist mein Urlaub und ich kann mein Glück kaum fassen: Pünktlich zu meiner Ankunft in New York zeigt die Grimm Gallery Caroline Walkers Solo-Ausstellung The Holiday Park. Der Titel der Ausstellung, The Holiday Park, beschreibt den Ort an dem die Bilder entstanden sind und der durch die Gemälde reproduzieren wird. Ein Ort, an dem Erholung praktiziert, aber auch inszeniert wird und die Arbeit dahinter oft unsichtbar scheint. Wie schon in früheren Werkzyklen macht Walker die oft übersehene Fürsorgearbeit sichtbar – eine Arbeit, die größtenteils von Frauen verrichtet wird.

Walker, geboren 1982 in Dunfermline, Schottland, ist bekannt für ihre atmosphärisch dichten, großformatigen Gemälde, die Frauen in Momenten des Übergangs oder bei routinierten Tätigkeiten zeigen. Ihre Malerei bewegt sich zwischen Beobachtung und Inszenierung, Fotografie und Erinnerung, sozialer Dokumentation und persönlicher Reflexion. Mit The Holiday Park setzt sie ihre künstlerische Auseinandersetzung mit Care-Arbeit in einem neuen Kontext fort: dem scheinbar idyllischen Ferienresort. A setting that is artificial yet familiar, posed for the purpose of elevating the leisure of guests and minimising their perception of labour. 



Die Ausstellung zeigt Frauen in Uniformen, beim Putzen der Gästezimmer, beim Zubereiten von Speisen, bei der Kinderbetreuung.

Ein Bild zeigt eine Bademeisterin im Vergnügungsbad, deren Blick auf Gäste gerichtet ist, die in Whirlpools entspannen.

Auf anderen Bildern sind Frauen beim Abendprogramm zu sehen: Backstage, kurz vor ihrem Auftritt, beim Schminken und dann während der Aufführung aus der Perspektive der Zuschauenden, wo ihre Gesichter im Dunkel der Bühne verschwimmen und unkenntlich werden. Ihre Arbeit und Personen dahinter bleiben präsent und gleichzeitig anonym. Ihre individuellen Gesichter sind nicht mehr erkennbar.



Der Fokus Walkers sind Frauen und die Care Arbeit, die von ihnen durchgeführt wird. Walkers Bilder sind im Kontext eines Holiday Resort in Südengland entstanden. Wenn ich sie mir ansehe, denke ich an meine eigenen Urlaubserfahrungen, wie zuletzt in den USA. Dort mache ich ähnliche Beobachtungen: In meinem eigenen Urlaub in den USA sind die sozialpolitischen Bedingungen, die das Vergnügen und Wohlergehen vorrangig weißer Tourist:innen und Amerikaner:innen sicherstellen, strukturell erkennbar. Nicht nur geschlechtsspezifisch (es sind meist Frauen, die diese Tätigkeiten übernehmen), sondern auch ethnisch oder entsprechend einer Herkunftsgeschichte (häufig sind es migrantisch geprägte Tätigkeiten, die für das Wohlergehen der Amerikaner:innen sorgen).

… the series looks to highlight the relationship between work and leisure,
drawing out the sociopolitical conditions that construct each mode.





Schon vor vier Jahren hatte ich erstmals eine Ausstellung von Walker gesehen, damals in Den Haag. Noch mitten in der Pandemie, sodass die Frauen auf den Bildern Masken trugen, genauso wie die Besucher:innen der Ausstellung dazu angehalten waren. Covid und Masken sind längst aus dem Alltag der meisten verschwunden. Reisen, Tourismus und alltägliches Vergnügen sind nicht mehr durch Corona-Maßnahmen eingeschränkt. Der Holiday Park spiegelt dies für mich einmal mehr wider.


Dort, wo andere genießen, andere ausruhen und pausieren, wo sie sich zurücklegen und dafür bezahlen, dort sind auch Hände, die nie ruhen. Blicke, die sich dem Betrachtenden entziehen. Frauen, die völlig in ihre Tätigkeit vertieft sind und gerade dadurch einer einfachen Lesbarkeit entgleiten.


… her family’s own experience as holidaymakers and (…)
a record of the smoothly choreographed work of the women who made their holiday possible.


Die Ausstellung selbst ist reduziert. Sie umfasst nur wenige großformatige Hauptwerke, ergänzt durch einige schwarz-weiße Skizzen, die im Untergeschoss zu finden sind. Und doch haben die Bilder mir, ohne Vorwissen, eindrücklich die Erfahrung Walkers vermittelt: Walker gelingt es, mit malerischen Mitteln eine stille, subtile Dringlichkeit zu erzeugen. Indem sie den Alltag von Care-Arbeiterinnen darstellt, regt Walker eindrucksvoll zur Reflexion an. Obwohl Care Arbeit die Grundlage dafür schafft, dass Menschen überhaupt unbezahlt und bezahlte Leistung ausführen können, fehlt es nach wie vor an ausreichender finanzieller, aber auch gesellschaftlicher Anerkennung. 

Während Care Arbeit vor allem im Kontext von Familien, Pflege und Betreuung diskutiert wird, beschäftigt sich die Ausstellung Holiday Park mit Care Arbeit im Bereich der Erholung. Denn auch ausreichend Erholung beeinflusst maßgeblich das Wohlbefinden und die Gesundheit.





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Leni hat ihren Bachelor und Master der Ökotrophologie in Gießen und Bologna absolviert. Aktuell promoviert sie in Dresden. Neben Essen und Italien, liebt sie den Sommer, die Natur und ihren Hund Ugo. In ihrer freien Zeit verliert sie sich gerne in Büchern oder auch schnell mal in eigenen Gedanken. In ihren eigenen Texten setzt sie sich oft mit alltäglichen Erfahrungen und Beobachtungen auseinander. Denn gerade diese sind es, mit denen Beziehungs- und Gesellschaftsstrukturen aufgezeigt werden können.

Mehr von Lenis Texten könnt ihr hier lesen.




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