Über Ethische Grenzen des Journalismus: Wie moralisch bist du?

Wie weit darf Journalismus gehen? Eine relativ einfache Frage, könnte man meinen. Wie weit darf er? Wie weit kann er gehen? Gibt es dafür ...

Wie weit darf Journalismus gehen? Eine relativ einfache Frage, könnte man meinen. Wie weit darf er? Wie weit kann er gehen? Gibt es dafür nicht Gesetze? Wenn wir über die Grenzen von Journalismus und Berichterstattung reden, dann sollten wir jedoch auch eine ganz wichtige Frage stellen: Wie weit sollte er gehen? Damit unterscheidet sich die Frage zu derjenigen, wo die rechtlichen Grenzen liegen, die gesetzlich festgeschrieben sind. Wir fragen uns jetzt, wo moralische Grenzen liegen. Allerdings betreten wir damit einen Bereich, der sehr viel mit eigener Verantwortung und Vereinbarkeit zusammenhängt und unter verschiedenen Umständen und gefragten Individuen auch zu ganz anderen Schlüssen kommen kann. Wie weit kann ich gehen? Was ist in Ordnung? Was ist gut, was ist richtig, wann ist etwas richtig? Dazu möchte ich einen kleinen Philosophie-Exkurs machen. - Wie moralisch bist du ganz persönlich?






Was ist Ethik?



Um zu erklären, was Ethik ist, wäre vielleicht die Unterscheidung von Ethik und Moral wichtig, da diese in unserer Alltagssprache oft synonym gebraucht werden.
Moral bezeichnet ein Normensystem, das für menschliches Verhalten gilt und mit dem Anspruch auf unbedingte Gültigkeit auftritt. Was ist die Moral der Geschicht? Welches menschliche Verhalten ist gut, welches böse? Darauf hat eine Moral Antworten. Was findest du ganz persönlich moralisch falsch? Was kannst du deinem Exfreund nie verzeihen, wo findest du, hat dein beste Freund sich falsch verhalten und wieso lügst du oder lässt es sein, was ist gut und was verurteilst du?
Die Ethik hingegen ist die Wissenschaft von der Moral, die somit eine Reflexionsstufe über ihr liegt. Sie reflektiert diverse Moralsysteme, analysiert und systematisiert sie und untersucht und hinterfragt ihre Begründungen und Prinzipien und die Logik der Argumentation dahinter.

"Ethik ist die Lehre bzw. Theorie vom Handeln gemäß der Unterscheidung von gut und böse. Gegenstand der Ethik ist die Moral. Traditionell ist Ethik eine zentrale Disziplin der Philosophie. Sie ist eine Reflexion und Analyse moralischen Verhaltens und ihrer Begründungen, Prämissen und Argumentation."

Erst einmal recht schwierig nachzuvollziehen, glaube ich. Denn was man ganz subjektiv als gut oder nicht gut beurteilst ist doch eine höchst persönliche Angelegenheit, oder nicht? Wie soll mir da ein alter Philosoph mit Vollbart nun erklären, was gut ist? Genau genommen erklärt die Philosophie der Ethik dir erst einmal nichts darüber, was du jetzt moralisch gut oder falsch finden sollst. Sie analysiert, wieso du oder jeder beliebig andere Mensch Situationen und Handlungen als gut oder schlecht beurteilst, sie erkennt das Muster dahinter und legt es dir vor, sodass du selbst anfangen kannst, es zu reflektieren.

Noch immer recht abstrakt. Um vielleicht ein grobes Verständnis dafür zu bekommen, wie unterschiedlich Zugänge an Moralsysteme sein können, werde ich die drei großen Ansätze ethischer Philosophie einmal oberflächlich erklären, die zeigen, dass eine moralische Beurteilung vielleicht doch nicht so intuitiv ist, wie sie sich für uns manchmal anfühlt: 



Die großen Ansätze ethischer Philosophie

Deontologie: Fokus auf der Handlung
Tugendethik: Fokus auf der Intention
Teleologie: Fokus auf den Konsequenzen


Die Deontologie oder auch Pflichtethik rechtfertigt eine Handlung als richtig oder falsch aufgrund der Handlung selbst. Wenn man beispielsweise eine Lüge oder auch Gewalt oder Mord oder ähnliches als moralisch falsch bewertet - was die meisten von uns wohl tun würden - dann ist auch jede dieser Handlungen als moralisch einzuordnen, nahezu unabhängig vom Kontext. Die Deontologie hat eine inhärente Begründung, zu der zum Beispiel auch Kants Ethik gehört: Was ist verboten, was ist aber auch geboten? Wozu sind wir verpflichtet? Eine Lüge, möge sie jetzt eine Notlüge sein oder jemanden schützen, ist dennoch moralisch falsch. Gewalt, wenn wir sie als falsch bewerten, ist auch dann falsch, wenn wir von Polizeigewalt oder von Gewalt linker Aktivitsten sprechen. 

Bei der Tugendethik liegt der Schwerpunkt des moralischen Urteils hingegen auf der Intention, aus der eine Handlung hervorgeht. Wenn wir nun davon ausgehen, wir würden einem Freund beim Lernen helfen oder nach einer Umweltkatastrophe wie einem Tsunami Geld spenden, was wir beides vielleicht als moralisch einwandfrei bis vorbildlich bewerten würden, könnte die Tugendethik zu dem Schluss kommen, dass es das ganz und gar nicht ist. Tut man es nämlich aus den falschen Gründen wie Ansehen oder Image Gründen, würde der Tugendethiker sagen, dass diese Handlungen dennoch moralisch absolut falsch sind, da die Motivation und die Absicht dahinter keine war, die gut ist. D.h. die Beurteilung liegt quasi noch vor der Handlung, in dem warum. Es geht also um eine Art wohlwollenden Charakter und Haltung, aus der heraus man die Handlung trifft, eine Tugendhaftigkeit wie die Aristotelische Zeit es nennen würde,

Zuletzt noch die Teleologie, die vom griechischem telos stammt, was so viel wie Ziel bedeutet - wider der Verwirrung hat das ganze also nicht mit Theologie zu tun. Die Teleologie rechtfertigt eine Handlung als gut oder schlecht aufgrund der Konsequenzen. Aus teleologischer Sicht wäre somit sowohl die Lüge, als auch Gewalt und auch das Helfen aus falschen Gründen richtig, sofern die Konsequenzen denn gut sind.
Meiner Erfahrung nach macht bei den meisten Menschen bei dieser Ethik das erste mal ein Klick im Kopf. "Yes, that's it! That's me! Gute Ergebnisse, das ist das, was ich will." Vielleicht zu früh gedacht. Denn die Teleologie rechtfertigt jedes Mittel, solange der Zweck und die Folgen im großen Schnitt vielleicht besser sind und damit begeben wir uns auf sehr wackeliges Terrain. Eine Unterkategorie wäre der sogenannte Utilitarismus, der eine Moral rechtfertigt, die den größtmöglichen Nutzen hervorbringt. Ein Extrembeispiel: Paris steht in Flammen. Panik bricht aus, Menschen sind in Gefahr. Vielleicht würde aber dennoch eher Mona Lisa aus dem brennenden Louvre gerettet werden, als ein Kind, das sich noch im Museum befindet. Der Grund? Die Mona Lisa hat als Kunstwerk aus utilitaristischer Sicht - wenn man mal den gesamten Verlauf der Menschheit betrachtet - vielleicht übergreifend eine höhere historische, einmalige und ästhetische Bedeutung für die Menschheit, als das einzelne Kind. Oder aber man könnte mit dem Geld, das man aus der Mona Lisa erwirtschaftet kann, mehr Menschen woanders helfen. Der Tod des Kindes wäre aus der Sicht natürlich trotzdem nicht wünschenswert, aber vielleicht ein Opfer, das man bringen würde, um mit finanziellen Mitteln das Leben von hundert Kindern in Afrika zu retten.
Ein ähnliches Szenario liegt auch in dem Theaterstück "Terror" von Schirach vor, die hierzulande auch durch die TV Produktion Debatten auslöste. Stellen wir uns vor, ein Passagierflugzeug, das von Terroristen entführt wurde, droht in das Pentagon stürzen. Sollte es von der Regierung oder von dir, wenn du diese Entscheidung treffen müsstest, abgeschossen werden sollte? Wir würden damit unter Umständen mehr Menschenleben schützen, weil es nicht in ein Gebäude stürzt, in dem hunderte oder tausende Menschen sind. Andererseits würde man damit nicht nur die Terroristen, sondern auch all die unschuldigen Passagiere im Flugzeug töten, die einfach bloß durch einen unglücklichen Zufall in das Flugzeug gestiegen sind. Der Utilitarismus würde es eindeutig mit Ja beantworten. Hunderte Menschenleben sind wichtiger als die von vielleicht fünfzig Personen. Die Deontologie würde moralisch absolut verurteilen: Einen Mord - den man an den Unschuldigen verüben würde kann man moralisch nicht rechtfertigen.




Die Auffassung in der Realität und in differenzierter Ethiken, die aus den drei Hauptströmungen hervorgegangen sind oder unsere ganz persönliche Einschätzung liegt meist irgendwo dazwischen und wägt von Fall zu Fall ab. Kein Aspekt ist dabei komplett unwichtig, auch wenn einer je nach Situation dabei überwiegt.


Medienethik & Pressekodex


Zurück zum Journalismus. Die sogenannte Medienethik untersucht nun eben den Zusammenhang zwischen medialem Ausdruck und menschlichem Verhalten. Sie reflektiert über alternative Handlungskonzepte, Qualität und Angemessenheit, also richtiges Verhalten in und von den Medien. Die Medienethik hat zur Aufgabe, Regeln für ein verantwortliches Handeln in Medien zu formulieren und zu begründen. Zwar ist im Grundgesetz die Pressefreiheit festgeschrieben, doch auch ihr sind moralische Grenzen gesetzt. Wo diese nun liegen und wer Verantwortung für sie trägt, ist nun Inhalt dieser Ethik.
Wonach sich Medien richtigen ist unter anderem der Pressekodex. Der Pressekodex ist eine Sammlung journalistisch-ethischer Grundregeln, die allerdings mehr als Orientierung dienen, eben keine rechtlichen Vorgaben sind. Dadurch hat er auch seine Problembereiche: Der Pressekodex funktioniert auf Basis freiwilliger Selbstverpflichtung, kann unterschiedlich ausgelegt und interpretiert werden. Hinzu kommt, dass Presseräte, die auf die Einhaltung dieser Richtlinien achten sollen, kaum Sanktionsmöglichkeiten haben und somit beinahe unwirksam sind. Sie können kaum mehr als öffentlich zu rügen. Auch das hat seine Folgen, sowohl für das Standing eines Verlages oder Medienhauses, als auch für seinen Umsatz. Allerdings hat das sehr wenig mit einer Moral dahinter zu tun.
Die „Richtlinien für die publizistische Arbeit nach den Empfehlungen des Deutschen Presserates“ dienen als Ergänzung und Hilfe für redaktionelle Praxis, wozu diese 16 Punkte zählen und dort genauer erklärt und behandelt werden:

1. Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde
2. Sorgfalt
3. Richtigstellung
4. Grenzen der Recherche
5. Berufsgeheimnis
6. Trennung von Tätigkeiten
7. Trennung von Werbung und Redaktion
8. Persönlichkeitsrechte
9. Schutz der Ehre
10. Religion und Weltanschauung
11. Sensationsberichterstattung und Jugendschutz
12. Diskriminierungen
13. Unschuldsvermutung
14. Medizin-Berichterstattung
15. Vergünstigungen
16. Rügenveröffentlichung







Was wären nun journalistische Handlungen, die als ethisch fragwürdig gelten. Bei den drei folgenden Beispielen, die ich nun behandele, kann jeder für sich ja vielleicht einmal abwägen, wie er die Situation einschätzt. Was findet man aus welchen Gründen noch ok oder sogar gut und richtig? Was würde man persönlich vielleicht aber als moralisch verwerflich einschätzen? Wo liegt die eigene selbstgezogene ethische Grenze? Wie weit sollte man gehen und wo sind Journalisten hier vielleicht einen Schritt weiter gegangen, als man es selbst vertreten könnte:


Das Foto des toten Flüchtlingsjungen Aylan Kurdi

"Der tote Flüchtlingsjunge am Strand", so wurde er in der Presse und der Welt berühmt. Der syrischen dreijährige Aylan Kurdi war im September 2015 während der Flucht ertrunken - so wie sein Bruder, seine Mutter und acht weitere flüchtende Menschen - und tot an den Strand von Bodrum gespült, wo das Foto aufgenommen wurde. Das Bild wurde zum Symbolfoto der Flüchtlingskrise in sämtlichen Medien. Es löste einerseits eine inhaltliche Diskussionen, ob die Politik nicht jetzt umdenken sollte und müsse, aber auch eine Debatte darüber, ob Bilder dieser Art zur Veranschaulichung des Themas gezeigt werden sollten.
Beim Presserat sind damals mehrere Beschwerden eingegangen, welche die Bereiche der Achtung der Menschenwürde (die Würde des toten Kindes) und der Sensationsberichterstattung betreffen. Der Deutsche Presserat befand das Bild als zulässig, das es ein „Dokument der Zeitgeschichte“ sei. 
Ethische Fragen, die man sich da stellen kann: Muss ein verlorenes Menschenleben und der Körper eines toten Kindes für Politik und Journalismus instrumentalisiert werden? Gilt die Achtung der Menschenwürde, auf die wir uns alle einigen können und als wichtig empfinden, dann nicht mehr, wenn es unserer emotionsgeladenen Berichterstattung zugutekommt und sich das Opfer nicht mehr wehren kann?

(Weil ich persönlich dieses Foto tatsächlich nicht auf meinem Blog stellen möchte, lasse ich es an dieser Stelle aus. Wer Google nutzt, braucht aber nicht lange zu suchen, um dieses Bild zu finden.)


Das Gladbecker Geiseldrama

Die Geiselnahme von Gladbeck war ein sehr aufsehenerregendes Verbrechen im August 1988, bei dem drei Menschen starben. Ein ursprünglicher Banküberfall wandelt sich zu einer dreitägigen Flucht durch Deutschland und die Niederlande mit mehreren Geiselnahmen, bei denen die Täter von Journalisten verfolgt und begleitet wurden. Der gesamte Verlauf  wurde scharf für polizeiliche Fehler, aber auch wegen dem Verhalten der involvierten Journalisten kritisiert. Ich werde deswegen, aber nicht auf die polizeilichen Fehler und auch nicht auf den vollständigen sehr wirren und ereignisreichen Verlauf als solchen eingehen, sondern nur einige Beispiele zum Verhalten der Journalisten aufzählen:

- Im August 1988 überfallen zwei Täter eine Bank in Gladbeck und nehmen zwei Bankangestellte als Geiseln, fordern ein Fluchtauto und Lösegeld. Bereits zu diesem Zeitpunkt führt ein Rundfunk-sender das erste Telefoninterview, über polizeiliche Angaben hinweg. Journalisten hatten die Nummer der Bank ausfindig gemacht und die Geiselnehmer nach ihren Bedingungen gefragt. Die Täter erklären sich, ihren kriminellen Werdegang, ihre Ziele und Motive.
- Die Geiselnehmer bringen einen Linienbus  mit 32 Fahrgästen in ihre Gewalt. In den Bus lassen die Täter auch Journalisten, stehen ihnen Rede und Antwort, was die Zuschauer in Direktübertragung am Bildschirm verfolgen können.
- Reporter verhandeln mit den Geiselnehmern und erreichen die Freilassung von Geiseln.
- Journalisten interviewen eine 18-jährige Geisel. Sie wird von Reportern gefragt, wie es ihr geht, während der Täter ihr eine Pistole an den Hals hält.
- Nach einer gescheiterten Polizeiaktion schießt einer der Täter einer 15-jährigen Geisel in den Kopf, die Stunden später an den Folgen stirbt. Reporter tragen den Schwerverletzten aus dem Bus. Einer von ihnen hält den Kopf des sterbenden Jungen dabei in die Kamera.
- Am dritten. Tag steht das Fluchtauto in der Fußgängerzone Breite Straße in der Kölner Innenstadt, als es zahlreiche Journalisten umlagern und mit den Straftätern, sowie den Geiseln Liveinterviews führen.
- Einige Journalisten bieten sich als Lotsen an und zeigen den Geiselnehmern Fotos von Polizisten, damit sie den Tätern bei einem möglichen Austausch der Geiseln nicht untergeschmuggelt werden können.
- Der damalige stellvertretende Chefredakteur der Express und spätere Bild-Chefredakteur Udo Röbel bietet sich an, die Geiselnehmer im Fluchtwagen bis zur nächsten Autobahnauffahrt zu lotsen, weist ihnen den Weg und fährt zwischen Köln und der Raststätte Siegburg im Fluchtfahrzeug mit. Am nächsten Tag erscheint eine mehrseitige Bildserie über seine „Erfahrungen“ im Gangsterauto.
- Journalisten folgen während der Flucht dem Fahrzeug, filmen es und berichten bis auf der Autobahn bei Bad Honnef ein Spezialkommando die Täter angreift. Bei der Schießerei wird die 18-jährige Geisel getötet, die Täter werden festgenommen.

Ethische Fragen, die man sich da stellen kann sind z.B. inwieweit es zulässig ist, dass sich eine Berichterstattung in polizeiliche Verfolgung einmischen darf. Wie weit sollte die Ausrichtung auf Sensation, Tabubruch und Exklusivität gehen? Und inwiefern sollte Angst und Leid von Opfern und Extremsituation dermaßen zur Schau gestellt werden?






Der G20-Pranger der Bild

Auf das letzte Beispiel will ich eigentlich nicht genauer eingehen, da es jeder vermutlich mitgekriegt hat. Die BILD Zeitung hat nach G20 unverpixelte Fotos von potentiellen Straftätern der linken Szene veröffentlicht und eine Suche gestartet.
Ethische Fragen, die man sich hier stellen könnte: Was hat eine solche Pranger Aktion in einem demokratischen Rechtsstaat zu suchen? Inwiefern sollten Medien eigenmächtige Fahndungsversuche schalten? Ist es vielleicht nicht erneut eine Sensationsberichterstattung, zur Aufheizung von Stimmung, die sich gerade gut verkauft? Was ist mit der Unschuldsvermutung? Was mit Persönlichkeitsrechten?





Wer trägt die Verantwortung?



Was bleibt, ist die Frage, wer die Verantwortung trägt. Wie sind Antworten auf diese Fragen zu finden und wer muss sich diesen ethischen Fragen überhaupt stellen? Es gäbe gleich mehrere Parteien und Stellen, wo man jemanden in die Pflicht nehmen könnte, was sich gegenseitig auch nicht ausschließt oder widerspricht. 
Zumeist gilt eine Individualethik. Sie weist die ethische Verantwortung jedem einzelnen Journalisten zu. D.h. jede Journalistin und jeder Journalist entscheidet immer wieder auf Neue, was und wie er vorgeht, worüber er schreibt, wie er schreibt und ob er das für sich rechtfertigen kann.
Der Presserat mitsamt seinem Pressekodex gibt einige grundsätzliche Richtlinien vor und rügt, wenn er dazu veranlasst ist. Mehr als das kann er jedoch kaum. Ihm bleibt nur die Möglichkeit, zu Menschlichkeit und Reflektion aufzurufen.
Bevor der Publikation in Print- und Onlinemedien, aber auch in Rundfunk und Fernsehen geht die Verantwortung über den einzelnen Verlag, das Medienhaus oder die Zeitung/den Sender. Manche von ihnen haben über den Pressekodex hinaus noch eigene Richtlinien festlegt, müssen sie sich bei Vorlage eines Inhalts dazu entscheiden, was gesendet, abgedruckt, veröffentlicht wird. 
Zuletzt gibt es noch den Punkt, der jeden von uns betrifft, ganz egal, in welchem Berufszweig wir tätig sind, eine Publikumsethik. Die Verantwortung liegt auch bei uns, bei jedem Konsumenten und Lesern. Der Einzelne kann nämlich sogar etwas mehr als reines Rügen und Appellieren, nämlich  boykottieren. Viele boykottieren ja tatsächlich, sowohl aus Qualitäts- als auch aus Ethikgründen die BILD-Zeitung oder auch den Stern. Damit trifft man im großen Kontext nämlich einen wirtschaftlichen Faktor einer Zeitung, der das Angebot verändern könnte, der es überhaupt erst bestimmt hat. 







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Weitere EMPFEHLUNGEN zur Vertiefung, falls euch das Thema interessiert:

Lesen

Buch: Grundkurs Philosophie / Ethik (Reclams Universal-Bibliothek)
Buch: Ethik: Eine Einführung
Artikel: Gladbecker Geiseldrama und die Medien - Sündenfall des deutschen Journalismus
Artikel: Der Journalistische Sündenfall
Artikel: Gladbecker Geiseldrama: "Wir waren kollektiv durchgeknallt"
Artikel: Das Bild des toten Ailan - Ein medienkritischer Kommentar
Information: Wikipedia, Der Pressekodex
Information: Ethikkodex des Deutschen Fachjournalisten Verband


Ansehen

Video: Tagesschau 1988: Geiselnahme von Gladbeck
Video: Ethik 1 - Perspektiven auf Gut und Böse | SoundSophie
Video: Was ist Ethik? Philosophisches Kopfkino 3sat
Bericht: Deutsch Propaganda und journalistische Ethik
Doku: Gladbeck - Dokument einer Geiselnahme

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7 x

  1. Hach Janet, deine Artikel sind großartig.

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  2. Ein toller und informativer Beitrag. Danke dafür.
    Fall 1 ist für mich in Ordnung, wenn es nicht stimmt, dass die Leiche des Jungen platziert wurde und eigentlich woanders lag. Wenn wirklich nur der Moment in der Fotografie eingefangen wurde, sehe ich nichts verwerfliches daran. Die Fotografie allein ist Kunst, ist Zeitgeschichte.

    Fall 2 und 3 hingegen sind für mich klar nicht in Ordnung. Fall 2 ist einfach nur widerlich und Fall 3 ist typisch Bild...aber dadurch nicht besser.

    LG Lexa

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  3. Schön geschrieben! Spannendes Thema, das mit Sicherheit alle, die bloggen und schreiben, noch eine Weile begleiten wird. Cool, mal so sauber zusammengetragene Informationen auf einem Blog zu sehen! Was ist denn deine persönliche Meinung zu dem Thema und wie hat diese bisher dein Bloggen geprägt?

    Liebe Grüße, Marie

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    Antworten
    1. Liebe Marie,

      danke dir für dieses schöne Kompliment! Ich glaube, dass ich ein tatsächlich echt sehr ethischer Mensch bin. Nicht in dem Sinne, dass ich alles gut mache und mir nie etwas vorzuwerfen hätte, aber insofern, dass ich sogar viele kleine Entscheidungen in meinem Leben immer und immer wieder moralisch reflektiere. Kann einerseits daran liegen, dass ich mich Fachbezogen ja viel damit beschäftige aber auch mit einer Grundeinstellung, die recht idealistisch ist und mit viel Sorgen zu tun hat. Als eines der Beispiele im Hinblick auf das Bloggen fällt mir vor allen Dingen ein, wie oft ich nicht nur Namen, sondern ganze Geschehnisse und Gedanken außen vor lasse, die mich eigentlich sehr beschäftigen, die jedoch auch den Persönlichkeitsraum anderer Personen betreffen. Also die Frage, ob ich denn das Recht habe, öffentlich über etwas zu beschreiben, was ich zwar erlebt/gedacht/gefühlt/gemacht habe, was aber unweigerlich auch eine andere Person betrifft, die all das vielleicht nicht gerne im Internet hätte. Spannende Frage auf jeden Fall!

      Viele liebe Grüße zurück!

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  4. Wow. Ich habe mir über Ethik im Journalismus noch nie Gedanken gemacht und bin gerade angetan davon, wie wichtig das Thema eigentlich ist. Auch als Blogger sollte man sich bei manchen Texten ja fragen, ob das moralisch ist, sich zu Thema xy zu äußern. Danke für diesen zum Nachdenken bewegenden Text, der meine Abneigung gegen Bild gestärkt hat. Konsumenten haben eben doch gerade bei Publikationen von Blogs, Presse und so weiter mehr Macht als alle anderen Institutionen, weil nur geschrieben wird, damit die Menschen es lesen.

    Liebe Grüße

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