Das neue Sans Mots

Das vergangene Jahr wird in die Geschichtsbücher eingehen. Es war eines, das wir auch als solches ewig erinnern, vielleicht ja wirklich eine...


Das vergangene Jahr wird in die Geschichtsbücher eingehen. Es war eines, das wir auch als solches ewig erinnern, vielleicht ja wirklich eines, von dem wir unseren Kindern mal aufgeregt erzählen werden. Ein Jahr globaler Bedrohung, des Zuhausebleibens, ein Jahr, in dem uns Begriffe wie Pandemie, Lockdown und Quarantäne in unserem Alltag erwischten und ebendiesen lahm legten. Angst, vielleicht sogar Trauer, vielleicht Wut, vor allem aber Nervosität, Einsamkeit, Unsicherheit sind Gefühle, denen wir uns stellen mussten und weiter müssen. Unsere Pläne wurden über den Haufen geworfen, die Schnelligkeit der Welt und die persönliche Ohnmacht mussten ausgehalten werden und zwischendrin passierten noch eine Millionen andere Dinge. Black Lives Matter zum Beispiel, um nur ein signifikantes und großartiges Zeitgeschehen zu nennen. Und unser aller Leben sah vor einem Jahr noch anders und ahnungslos aus. 

Ich liebe und glaube an das Konzept Blog. Manchmal kommt es mir so vor, als sei ich die letzte Person auf der ganzen Welt, die noch Blogs liest. Und dann fällt mir auf wie peinlich das nach Millennial Bullshit klingt, wenn sogar Blogs plötzlich einen Wert der Nostalgie erhalten, während es immer noch Menschen gibt die faxen. Für mich haben sie das aber, Nostalgiewert, denn im Grunde unterscheidet sich das Medium Blog oder Blogzine (wie man sie eigentlich nennt, die von mehreren Menschen geführt werden) für mich gar nicht wesentlich von dem von Zeitschriften. Eine Zeitschrift mit Artikeln über die visuelle Schnelligkeit von Instagram, Twitter und co. hinaus, die jedoch online, kostenlos und zu jeder Zeit abrufbar und verfügbar ist. Hat man einmal eine Zeitschrift gefunden, die einem sehr gefällt, schaut man immer mal wieder kurz danach Ausschau, wenn man am Presse- und Buchladen am Bahnhof zeitvertreibend vorbeischlendert und freut sich, wenn man ein neues Exemplar mit genauso spannendem aber neuem Inhalt vorfindet.
Blogs haben eine ähnliche Wirkung auf mich. So ist es gar keine verklärte Sehnsucht, wenn ich daran denke, wie ich vor Jahren abends im Pyjama oder am Wochenende morgens nach dem Duschen beim ersten Kaffee am Schreibtisch saß oder mit meinem Laptop im Bett auf meine liebsten Blogs klickte und Glückshormone und Neugierde geweckt wurden, wenn ich auf ihnen neue Artikel entdeckte. Das waren Orte im Internet, die ich zufällig entdeckt, aber in einer Nähe zu mir gebunden hatte. Orte zusammengestellt nicht von einem Marketingkonzept, sondern von Menschen, die etwa in meinem Alter waren, die von ihrem Alltag, ihren Gedanken, ihren Erfahrungen erzählten, ihre Kreativität auslebten und die mir Einblicke in kleine Lebensrealitäten und Themen schenkten, die ich sonst nicht gehabt hätte. Was für mich damals - sowohl als Leserin und Konsumentin, aber auch als selbst schreibende Bloggerin - noch auf einer rein persönlichen Ebene anfing und vielleicht sogar einen Tagebuchcharakter hatte, wurde in seiner Themenbreite und neuen Möglichkeiten mit der Zeit immer vielseitiger oder komplexer und auch: Politischer. Nischiger. Kreativer. Sachlicher. Emotionaler. Normaler. Außergewöhnlicher. Blogs sind nicht mehr das, was sie 2008 waren und auch dieser hier, Sans Mots, wird ab diesem neuen Jahrzehnt erneuert.

Das vergangene Jahr oder auch die vergangenen Jahre waren sehr prägend für mich. Habe viel verloren, viel gewonnen und sehr viel gelernt. Eine meiner ganz persönlichen Erkenntnisse möchte ich teilen: "Du musst nicht alles tragen", könnte man es nennen. Es ist eine Mahnung, aber auch eine Erinnerung daran, dass ich nicht alles auf einmal tun muss, obwohl es sich oft so anfühlt. Ich muss nicht das Rad neu erfinden oder die Welt retten und vor allem nicht beides gleichzeitig und nicht komplett alleine. Vielleicht liegt ja sogar eine Art Narzissmus in dem Umstand, dass ich wohl scheinbar nicht nur glaube es zu müssen, sondern implizit ja auch zu können. Genau dem wollte ich eine Absage erteilen und muss mich noch heute in regelmäßigen Abständen dazu zwingen: Du musst nicht alles alleine tragen. Du kannst auch nicht alles alleine tragen.

Sans Mots wird ab diesem Jahr nicht mehr von mir geführt. Oder, hoppala, anders formuliert: Nicht mehr nur von mir geführt. Die bisherige Ausrichtung bleibt beibehalten, doch nun wird dieser Ort endlich wiederbelebt und wieder mit frischen Worten, neuen Gedanken und regelmäßigen Inhalten gefüllt und vor allem: Perspektiven. Während ich mich zwar bemüht habe, keine dogmatischen, sondern immer auch ausgewogene und reflektierte Diskussionen anzuregen oder Einblicke zu geben, kann ich doch nur bei dem bleiben, was ich kann, sehe, höre, bei dem, womit ich allein mich beschäftige. Was fehlten, waren nicht Worte (oh merkt ihr diesen Wortwitz - sans mots?!), aber mehr Sprecher*innen, mehr Aussprechende, mehr Ansprechende.

Ich liebe und glaube an das Konzept Blog. Und ich liebe und glaube auch an diesen Blog, weil ich sehr gerne an alle die Leser*innen denke, die in den letzten Jahren Kontakt zu mir aufgenommen haben und mir geschrieben haben, was sie bewegt hat, was sie gelernt haben und wie froh sie sind, dass ich mich getraut habe diesen Blog zu erstellen. Ich hoffe einigen von euch kann Sans Mots das geben, was mir sehr lange andere Blogs gegeben haben. Nicht nur dieses wohlige Gefühl einer Entdeckung, sondern vielleicht sogar ein kleines Nachhausekommen in das  virtuelle helle Haus mit dem knarrenden Holzboden, in dem sich bunte, schwierige, philosophische, aber auch differenzierte oder absurd alberne Beiträge finden von einer Truppe von Menschen, die ich euch ganz unbedingt zeigen möchte.

Liebe Grüße, Janet




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  1. Es ist so toll gewesen wieder von dir und Sans Mots zu hören! Ich freue mich riesig auf das was kommt und bin sehr gespannt :) Und ich kann sagen: Ja, das Gefühl, das du mit Blogs beschreibst, das kenne ich ganz gut. Und daher umso freudiger, dass einige Blogger:innen dieses Jahr ganz bewusst ein großes JA zum Bloggen posten. Wir lesen uns!

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