Superwahljahr 2021: Welche Wahlen in diesem Jahr wichtig sind

  Wenn in Polit-Talkshows über das Jahr 2021 gesprochen wird, sind die Themen klar: Corona und die Bundestagswahl. Immer wieder hören wir au...


 

Wenn in Polit-Talkshows über das Jahr 2021 gesprochen wird, sind die Themen klar: Corona und die Bundestagswahl. Immer wieder hören wir auch den Begriff „Super-Wahljahr“. Diese Zuschreibung trifft gleich in mehrfacher Hinsicht zu. Uns erwarten im nächsten Jahr ganze sieben Wahlen, die alle auf die eine oder andere Weise Einfluss auf die Bundespolitik haben werden. Auch In dieser Kolumne möchte ich einerseits die harten Fakten anschaulich präsentieren und einordnen, andererseits auf ein paar Hintergründe und Mechanismen von Wahlen und Wahlkämpfen eingehen. Aber zunächst ein kurzer Überblick über das, was uns erwartet und über die jeweiligen Ausgangspositionen:

  • 14. März: Landtagswahl in Baden-Württemberg & Landtagswahl in Rheinland-Pfalz
  • 06. Juni: Landtagswahl in Sachsen-Anhalt
  • 26. September:
    Bundestagswahl
    Wahl des Abgeordnetenhauses in Berlin
    Landtagswahl in Thüringen
    Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern
Laut dem ZDF-Politbarometer vom Dezember 2020 halten 84% der befragten Corona bzw. dessen Folgen momentan für das größte Problem. Dementsprechend werden aller Wahrscheinlichkeit nach auch die Wahlen in 2021 sehr stark von diesem Thema geprägt sein. Aber da natürlich noch jede Menge Zeit bis dahin ist und somit noch viele neue Themen aufkommen können, möchte ich mich hier auf die jeweiligen Ausgangspositionen und vielleicht die ein oder andere inhaltliche Randbemerkung beschränken.


14. März: Landtagswahl in Baden-Württemberg


In Baden-Württemberg regiert momentan der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann zusammen mit der CDU und somit getragen von einer komfortablen Mehrheit von 37 Sitzen. Bis auf wenige Ausnahmen la-gen die Grünen Umfragen seit der Landtagswahl immer vor der CDU. Kretschmann erreicht bei CDU-Anhängern Zufriedenheitswerte von 90% (bei Anhängern der Grünen sogar nur 89%), wobei die CDU-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl, Susanne Eisenmann, bei ihren eigenen Anhängern nur auf 35% kommt. Auch, wenn Grüne und CDU momentan gleichauf sind, wären daher viele Leihstimmen der Union und eine Wiederwahl von Kretschmann zum Ministerpräsidenten zumindest momentan keine Überraschung.

14. März: Landtagswahl Rheinland-Pfalz


Das Land Rheinland-Pfalz wird von einer Koalition von SPD, FDP und Grünen unter Führung der sozialdemokratischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer regiert, allerdings ist die Mehrheit der Regierungsfraktionen mit nur einem Sitz denkbar knapp. Die letzte Landtagswahl hatte die SPD mit deutlichem Vorsprung vor der CDU und ihrer damaligen Spitzenkandidatin Julia Klöckner gewinnen können. In den Umfragen führt seit Sommer 2018 die Union, bei einer Direktwahl der Ministerpräsidentin würden jedoch würden jedoch 54% die Amtsinhaberin wählen. Ihr Gegenkandidat Christian Baldauf (CDU) käme insgesamt auf nur 18%.   Bei  CDU-Anhängern  liegt   er  mit  42%   vor Malu Dreyer (38%). Interessant ist hier, dass die Präferenzen bei Parteien und Personen offenbar unterschiedlich liegen. Zudem ist Rheinland-Pfalz eines der wenigen Länder, in denen in Umfragen nicht die Partei vorne liegt, die den Ministerpräsidenten stellt, obwohl die Zufriedenheit mit der Landesregierung momentan bei 65% liegt. Spannend wird hier also, ob an der Wahlurne letztlich Partei oder Person den Ausschlag geben werden.


Umfragen Landtagswahlen Baden-Württemberg und Landtagswahlen Rheinland-Pfalz, Ergebnisse 2016 vs. Sonntagsfrage


6. Juni: Landtagswahl in Sachsen-Anhalt

In Sachsen-Anhalt wird die aus CDU, SPD und Grünen bestehende Koalition von dem CDU-Ministerpräsidenten Reiner Haseloff angeführt. Auch hier war das Wahlergebnis der letzten Wahl denkbar kompliziert. Da aber viele Stimmen Parteien zugutekamen, die es nicht über die 5%-Sperrklausel geschafft haben, hat die Koalition eine Mehrheit von fünf Sitzen. Im Juni 2020 lag die Zufriedenheit mit der Landesregierung bei 67%. Allerdings sind seit der Regierungskrise rund um die Erhöhung des Rundfunkbeitrages, bei der CDU und AfD gegen die Erhöhung des Rundfunkbeitrages waren und diese somit hätten kippen können, sind keine neuen Beliebtheitswerte erhoben worden. Diese Krise hat gezeigt, dass die CDU in Sachsen-Anhalt vor denselben Problemen steht wie in Thüringen, wo dieses Jahr ebenfalls Landtagswahlen stattfinden. Das Verhältnis zu und der Umgang mit der AfD scheint ungeklärt. Woran das liegt, muss und wird noch Thema in dieser Kolumne werden.
In aktuellen Umfragen steht die Koalition bei 49%, das muss aber – wie wir gesehen haben – nicht zwingend   bedeuten,   dass   es   im   Landtag   keine Mehrheit gibt. Auch hier wird es also in mehrfacher Hinsicht spannend.



Welches sind die aktuell politisch relevantesten Themen?


26. September: Bundestagswahl

Auf Bundesebene haben wir bekanntermaßen eine „große Koalition“, also eine Koalition bestehend aus CDU/CSU und SPD, die über eine Mehrheit   von   88   Sitzen   verfügt. Eigentlich würde man erwarten, dass der Abschnitt zu dieser Wahl, die zweifellos die wichtigste in 2021 sein wird, sehr ausführlich ist. Aber dafür sind noch zu viele Dinge offen. Sicher ist, dass besonders die Union in den letzten Monaten in den Umfragen stark zugelegt hat. Die Zufriedenheit mit der Bundesregierung ist seit Beginn der Coronakrise außergewöhnlich hoch. Die SPD scheint bisher noch nicht davon zu profitieren. Es gibt so viele spannende Dinge an dieser Wahl, von denen ich leider nur einige wenige hier nennen kann.


"Mein persönlicher Eindruck ist momentan, dass es für viele nicht die CDU/CSU ist, die das Land durch die Krise führt, sondern Angela Merkel."


Spätestens mit der Bekanntgabe des Kanzlerkandidaten dürfte aber auch den letzten klar sein, dass Merkel nicht mehr antreten wird. Es wird spannend zu beobachten sein, welchen Effekt das haben wird und wie die anderen Parteien damit umgehen. Eine weitere, sehr spannende Frage ist, ob der neue CDU-Parteivorsitzende Armin Laschet es schafft, in sich der verbleibenden Zeit bis zur Bundestagswahl neben der medial momentan besonders präsenten Bundeskanzlerin so zu profilieren, dass er einerseits gut mit ihr zusammenarbeiten kann und es andererseits dennoch schafft, sich so deutlich von ihr abzusetzen, dass er auch auf die Unterstützung der Anhänger von Friedrich Merz im Allgemeinen und auf die der Ost-Verbände im Besonderen zählen kann, nicht zuletzt mit Blick auf eine mögliche Kanzlerkandidatur.


"Der Erfolg der Grünen wird unter anderem davon abhängen, wie sehr sie es schaffen, den Klimawandel wieder auf die politische Agenda zu setzen. Sicherlich wird auch die Frage, ob man einen Kanzlerkandidaten aufstellt und – wenn ja – wen, eine gewichtige Rolle spielen."


  • Die AfD ist in den Umfragen spätestens seit Anfang 2020 auf dem absteigenden Ast und schwankt momentan zwischen 7-10%, also weit entfernt von den Werten vor oder kurz nach der letzten Wahl. Die Gründe dafür sind so vielfältig, dass hier unmöglich alle genannt werden können. Zwei Gründe für diesen Absturz sind aber sicherlich das Abhandenkommen des Kernthemas Migration und das planlos wirkende, teils gegensätzliche Agieren der AfD während der Corona-Krise.

  • Die FDP scheint zusehends an Profil zu verlieren. Parteichef Christian Linder gehört regelmäßig zu den unbeliebtesten Spitzenpolitikern Deutschlands und kratzt mittlerweile wieder an der 5%-Sperrklausel. Für das Abschneiden der FDP werden vermutlich, wie schon bei ihrem Ausscheiden 2013, Leihstimmen und Umfragen eine große Rolle spielen. Die Rolle von Umfragen bei Wahlen wird Thema eines zukünftigen Artikels sein.

  • Die Linke ist die sowohl bei Wahlergebnissen als auch bei Umfragen auf Bundesebene konstanteste Partei. Sie bewegt sich seit Jahren zwischen 7-11%, was bei den heute üblichen Schwankungen schon fast eine echte   Leistung   ist.   Dementsprechend gibt es bisher auch für 2021 keinen Grund zu der Annahme, dass die Linke dieses Spektrum verlässt.

Der interessanteste Aspekt an der Wahl ist jedoch, dass zum ersten   Mal   keine   Kandidatin mit  Amtsbonus   ins   Rennen geht. Eine völlig neue Situation, auf die sich WählerInnen und KandidatInnen erst werden einstellen müssen.


Umfrage zur Zufriedenheit der Bundesregierung 2021.


26. September: Landtagswahl in Thüringen


Die letzte Landtagswahl in Thüringen fand am 27.10.19 statt, ist also noch gar nicht so lange her. Das Ergebnis war für die meisten unbefriedigend, die vorangegangene Regierung aus Linken, SPD und Grünen hatte keine Mehrheit mehr, aber eine andere Konstellation ohne die AfD, die alle Parteien ablehnen, war nicht möglich. Man hoffte auf eine Fortsetzung der rot-rot-grünen Koalition als Minderheitsregierung, doch zunächst scheiterte die Wahl von Ministerpräsident Bodo Ramelow. Dessen Wahl scheiterte und stattdessen wurde Thomas Kemmerich (FDP) mit den Stimmen von FDP, CDU und AfD ins Amt gewählt. Ein Ereignis, von dem sich einige immer noch nicht erholt zu haben scheinen. Kemmerich trat zurück. Im März wurde Ramelow schließlich doch gewählt und führt die Minderheitsregierung aus Linken, SPD und Grünen seither an, die 42 der 90 Sitze des Thüringer Landtags hinter sich hat. Da eine solche Regierung in Deutschland nur bedingt arbeitsfähig ist, wurden Neuwahlen vereinbart, die zunächst für den 25. April vorgesehen waren, aber aufgrund von Corona auf den 26. September verschoben wurden.

Die aktuellen Umfragen geben hier nicht unbedingt Anlass zu Optimismus. Die politischen Ränder, Linke und AfD, sind nach wie vor stark. Im Sommer 2019 gab es Zeitweise eine Mehrheit für eine erneute rot-rot-grüne Regierung,   aber   auch   hier   gibt   es   starke Schwankungen.

Kompliziert wird es vor allem für die Union. Denn auch wenn man die Situation im Frühjahr 2020 noch lösen konnte ist das eigentliche Problem, nämlich die Frage nach dem Verhältnis der („Ost“-)CDU zur AfD noch nicht geklärt. In Thüringen ist alles offen. Jedoch schlummert in dieser Wahl ein erhebliches Konfliktpotenzial, auch auf Bundesebene.


26. September: Abgeordnetenhauswahl Berlin


Berlin wird von einer Koalition aus SPD, Linken und Grünen regiert, die über eine Mehrheit von 24 Sitzen verfügt. Regierender Bürgermeister ist Michael Müller (SPD). Seit Mai 2017 liegt die Union in Umfragen bis auf wenige Ausnahmen vor der SPD. Stärkste Partei ist seitdem meist die CDU oder die Linke. Klar ist, dass Michael Müller nicht erneut als Bürgermeister antreten wird. Er kandidiert 2021 für den Bundestag. Die SPD-Spitzenkandidatin wird aller Voraussicht nach die neue Landesvorsitzende der Berliner SPD, die derzeitige   Familienministerin   Franziska   Giffey.   Aufgrund der langen Zeit bis zur Wahl ist es nicht möglich, eine auch nur halbwegs seriöse Vorhersage zu treffen.

26. September: Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern


Ministerpräsidentin   Manuela   Schwesig   (SPD) führt in Mecklenburg-Vorpommern eine große Koalition   mit   der   CDU   an.   Hier   beträgt   die Mehrheit 17 Sitze. In den seit der letzten Wahl nur selten erhobenen Umfragen sind SPD und AfD meist  gefallen   und   Grüne   und   CDU   gestiegen, während die FDP zwar oft an den 5% kratzt, es aber auch momentan nicht für einen Einzug in den Landtag reicht. Aber da die Abstände zwischen den Umfragen doch beträchtlich sind, ist es fast nicht möglich, eine eindeutige Tendenz auszumachen. 


Umfragen Wahlen des Abgeordnetenhaus Berlin und Landtagswahlen Mecklenburg-Vorpommern, Ergebnisse 2016 vs. Sonntagsfrage

Sowohl für die Abgeordnetenhauswahl in Berlin als auch für die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern gilt, dass sie wahrscheinlich durch die Bundestagswahl etwas untergehen und daher nur geringe bundespolitische Bedeutung haben werden.

Uns erwartet also ein Wahljahr mit sieben Wahlen aus ganz unterschiedlichen Ausgangspositionen, bei denen verschiedenste Faktoren den Ausschlag geben können. Natürlich steht über allem die Bundestagswahl, deren Ausgang uns alle betrifft. Aber auch die Wahlen in den Ländern sind nicht zu unterschätzen, nicht zuletzt wegen des Bundesrates, dessen Mehrheitsverhältnisse enormen Einfluss auf die Bundespolitik haben können.



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Timon Scheuer wurde im saarländischen Merzig geboren und studiert momentan Philosophie und Politikwissenschaft an der Universität Trier. Er beschäftigt sich besonders gerne mit Ethik und Wahlforschung, aber auch anderen Themen ist er nicht abgeneigt. Meistens ist er auf vier Rädern unterwegs und damit beschäftigt, seine Fachbuchsammlung durch mehr oder weniger sinnvolle Investitionen zu erweitern und sich dann darüber zu wundern, dass seine Leseliste länger statt kürzer wird. Er ist Fan von langen, tiefgehenden Diskussionen, guten Podcasts und Schalke 04. Auf Sans Mots schreibt er über alles, was ihm über den Weg läuft, aber vor allem über Wahlen.





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