Black History Month und Literatur: Diese 5 Bücher empfehle ich euch

Meine Spezialität sind Bücher.  Das trifft sich gut, denn Bücher bieten ein hervorragendes Medium, um verschiedene Lebensrealitäten abzubild...


Meine Spezialität sind Bücher. Das trifft sich gut, denn Bücher bieten ein hervorragendes Medium, um verschiedene Lebensrealitäten abzubilden. Durch Bücher tauchen wir ein in andere Welten, nehmen andere Perspektiven und Fragestellungen wahr und können es so schaffen, unseren berühmten Horizont zu erweitern und ein größeres Gespür für gesellschaftliche Ungerechtigkeiten zu bekommen. In diesem Sinne bietet es sich an, uns im Februar vor allem mit Literatur und Sachbüchern von und über Schwarzen auseinanderzusetzen. Nach langen Kämpfen um Repräsentation, unter anderem auch im Black History Month, gibt es da mittlerweile einige, die ich euch empfehlen möchte. Ich mache hier den Anfang mit fünf, die mich auf verschiedene Weise weitergebracht haben.



Exit Racism.
Rassismuskritisch denken lernen von Tupoka Ogette


Bevor wir zu den Geheimtipps kommen, fangen wir quasi mit einem Standardwerk der deutschen Antirassismus-Literatur an, das trotzdem noch immer zu wenige gelesen haben. Dabei ist Exit Racism ein tolles Buch für den Einstieg: leicht verständlich, zügig (das Buch hat kaum 130 Seiten) und sehr prägnant nimmt Ogette selbst die skeptischsten (bzw. rassistischen) Leser*innen an die Hand und erklärt mit viel Geduld, aber auch Kompromisslosigkeit, wo sich überall Rassismus in Deutschland finden lässt. Themen sind dabei Deutschlands Geschichte im Sklavenhandel und die Verbreitung des Rassismus - ein Thema, auf das im Black History Month aufmerksam gemacht wird, weil unsere Schulen das noch immer nicht hinbekommen -, Privilegien, die Macht der Sprache sowie Rassismus in verschiedenen Institutionen.

Das besondere an dem Buch ist, dass es zum Mitmachen einlädt: Ogette ruft die Leser*innen auf, sich selbst zu reflektieren, den eigenen Gedankenprozess festzuhalten und so die verschiedenen Diskriminierungsformen in Deutschland wahrzunehmen.

Dabei weiß die Autorin wovon sie spricht, denn Ogette ist seit Jahren als Workshopleiterin und Bildungsreferentin zum Thema Antirassismus aktiv. Also, wenn du das Buch noch nicht gelesen haben solltest, dann ist dies hier das Zeichen, es jetzt zu tun. Und wenn du gelangweilt bist, weil du dieses Buch schon hundert Mal auf Instagram vorgestellt bekommen hast, dann ist das das Zeichen nachzudenken, wer in deinem Umfeld dieses Buch noch nicht gelesen hat, aber davon profitieren könnte; wir wissen alle, da gibt es einige.

Tupoka Ogette: Exit Racism - rassismuskritisch denken lernen
Unrast Verlag - Taschenbuch 12,80 Euro


Heimkehren von Yaa Gyasi


Der erste Literaturtipp in diesem Artikel:

Heimkehren ist ein historischer Roman, der sich zeitlich bis in die Gegenwart zieht, beginnend im Ghana des 18. Jahrhunderts zur Zeit des Sklavenhandels. Er wird aus der Sicht der beiden Schwestern Effia und Esi erzählt - so zumindest zu Beginn. Effia und Esi lernen sich nie kennen, denn ihre Lebenswege könnten nicht unterschiedlicher verlaufen: während Effia mit einem englischen Sklavenhändler verheiratet wird und so in Ghana (wenn auch nur) aus finanzieller Sicht ein ganz gutes Leben führt, wird Esi als Sklavin nach Amerika verkauft. Kapitel für Kapitel erzählt der Roman damit die Geschichte der Nachkommen Effias und Esis, wobei Effias Nachkommen in Ghana mal unter dem Sklavenhandel leiden, mal von ihm profitieren sowie die Auswirkungen des Kolonialismus zu spüren bekommen, während Esis Nachkommen in den USA einen mühsamen, gewaltvollen und gar tödlichen Kampf für die Freiheit erleben, der auch nach Beendigung des Sklavenhandels nicht endet.

Heimkehren ist die Geschichte einer Familie, die über Jahrhunderte zwanghaft voneinander getrennt wurde und deren Schicksal durch white supremacy, Rassismus und Kapitalismus geprägt ist. Es zeigt, mit welchen Ungerechtigkeiten und Sorgen Schwarze in Ghana und in den USA seit dem 18. Jahrhundert bis heute konfrontiert waren und verschließt dabei nicht die Augen, um das Leseerlebnis für uns (weiße) Leser*innen angenehmer zu machen. 

Der Roman ist schonungslos, aber auch abholend und zeigt das große Bedürfnis nach einem Heimatgefühl, das vielen Schwarzen Menschen zur Zeit des Sklavenhandels gewaltvoll genommen wurde. Die Schriftstellerin Gyasi hat dabei Verbindungen zu beiden Ländern: sie wurde in Ghana geboren, emigrierte aber mit jungen Jahren in die USA.

Yaa Gyasi: Heimkehren
DUMONT Buchverlag -  Taschenbuch 12Euro; gebundene Ausgabe 22Euro


Was ist der Black History Month?

Der Februar ist Black History Month, und in den USA das schon seit knapp fünfzig Jahren. Gegründet wurde er, um auf den geringen Forschungsstand der Schwarzen Geschichte und die geringe Repräsentation Schwarzer Menschen und Kultur aufmerksam zu machen - ein Umstand, das westliche Gesellschaften gemeinsam haben. In den 1990er Jahren wurde die Idee des Black History Months durch die „Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland“ (ISD) nach Deutschland gebracht. Seitdem erlangen er und seine Forderungen auch hier immer mehr an Bedeutung.
Der Black History Month ist die Zeit, in denen Schwarzen Menschen und ihren Ansprüchen vermehrt eine Plattform gegeben wird. Es ist die Zeit, in der wir ein Bewusstsein für die Missstände, auf die Schwarze Menschen immer wieder aufmerksam machen, entwickeln. Für weiße Menschen wie mich ist das eine gute Gelegenheit, um inne zu halten und sich zu fragen: wann habe ich mich das letzte mal mit Schwarzem Leben, speziell in Deutschland, auseinander gesetzt? Was weiß ich über die afrodeutsche Geschichte und Kultur, was weiß ich über ihre Forderungen? Und: was tue ich, um sie im Kampf für ein rassismus- und diskriminierungsfreies Leben zu unterstützen? Denn, eine Sache ist klar: genug tun wir alle nicht.


Schwarzer Feminismus.
Grundlagentexte von Natasha A. Kelly (Hrsg.)

Audre Lorde, bell hooks, Kimberlé Crenshaw: wenn man sich mit Feminismus, vor allem mit intersektionalem Feminismus beschäftigt, dann hat man diese Namen auch im deutschen Raum vielleicht schon mal gehört. Das Problem? Ihre wegweisenden Essays zum Thema Schwarzer Feminismus wurden kaum übersetzt. Gemeinsam mit einem Übersetzer*innen-Team nahm sich die Wissenschaftlerin und Filmemacherin Natasha A. Kelly dieser Aufgabe an: sie übersetzten einige der wichtigsten Essays in der Historie des Schwarzen Feminismus in den USA.Diese Sammlung von Grundlagentexten ist dabei keineswegs ein Nischenwerk, sondern zeigt immer wieder auf, mit welchen Problemen Schwarze Frauen im Kontext von race und gender seit Jahrhunderten konfrontiert waren und entdeckten so das Konzept der Intersektionalität. Die Texte sind chronologisch geordnet, angefangen bei der berühmten, mündlich überlieferten Rede „Ain’t I a Woman?“ oder „Bin ich etwa keine Frau?“ von Sojourner Truth, die von der Entmenschlichung Schwarzer Frauen zur Sklavenzeit berichtete. Weitere Texte, vor allem aus den 1970er und 1980er Jahren, sind von Angela Davis, The Combahee River Collective, bell hooks, Audre Lorde, Barbara Smith, Kimberlé Crenshaw und Patricia Hill Collins. Sie alle zeigen die intersektionale Diskriminierung von Schwarzen Frauen auf, da es sowohl in der weißen Frauenbewegung, als auch in der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung kaum einen Platz für ihre Forderungen gab. An Aktualität verlieren diese berühmten Essays dabei ganz und gar nicht.

Sie tun genau das, wofür der Black History Month gedacht ist: sie eröffnen neue Perspektiven. Wenn man einen feministischen Kampf kämpfen möchte, der alle miteinschließt, dann ist diese Essaysammlung als Grundlage unerlässlich.

Natasha A. Kelly (Hrsg.): Schwarzer Feminismus. Grundlagentexte
mit Texten u.a. von: Sojourner Truth, Angela Davis, The Combahee River Collective, Barbara Smith, Audre Lorde
Unrast Verlag  -  Taschenbuch 16Euro

In guten wie in schlechten Tagen von Tayari Jones

Roy und Celestrial sind zwei junge, Schwarze Amerikaner*innen, die frisch und ja, auch relativ glücklich verheiratet sind. Perfekt ist die Ehe nicht, aber sie lieben sich und sind dabei, ein gemeinsames Leben aufzubauen. Bis ein Schicksalsschlag sie auseinander reißt: Roy wird für eine Tat, die er nicht begangen hat, zu zwölf Jahren Haft verurteilt. In diesem Roman geht es nicht um Roys vermeintliche Schuld, es geht nicht um die vorgeworfene Vergewaltigung, denn von Anfang ist klar, dass Roy diese Tat, wie viele andere zu unschuldig verhaftete Schwarze Menschen, nicht begangen hat. Eine junge Ehe, die durch eine rassistische Gesellschaft und ebenso rassistische Institutionen mehr als nur auf die Probe gestellt wird. Sie zeigt das zeitgenössische Leben Schwarzer US-Amerikaner*innen und all die Diskriminierungen, unter denen sie auch heute, Jahrhunderte nach dem Ende der Sklaverei, leiden. Vorsicht: dieses Buch weckt alle möglichen Gefühle, nur kaum positive. Ich habe während des Lesens extreme Trauer, Wut, Resignation und auch Verständnis gespürt, während ich mir gleichzeitig die ganze Zeit wünschte, alles wäre anders gelaufen. Es ist ein deprimierendes, aber es ist ein reales Buch. Es ist eines, vor dem wir nicht die Augen verschließen dürfen - denn diese Wahl gibt es für Roy, Celestrial und viele andere von Rassismus betroffenen Schwarzen nicht.

Tayari Jones: In guten wie in schlechten Tagen
Arche Literatur Verlag  -  Taschenbuch 12Euro, gebundene Ausgabe 22Euro

Afropäisch. Eine Reise durch das schwarze Europa von Johny Pits

Und, ist euch etwas aufgefallen? Richtig: beinahe alle Bücher auf dieser Liste thematisieren zwar Schwarzes, aber vor allem US-amerikanisches Leben. Das ist auch kein Wunder, denn Afroamerikaner*innen verbindet ein jahrhundertelanges Trauma, eine gemeinsame Geschichte, ein gemeinsamer Kampf und eine gemeinsame Kultur. Außerdem ist die US-amerikanische Kultur global generell sehr präsent.

Aber was ist mit Schwarzem Leben in Europa?

Gibt es eine gemeinsame Kultur, einen gemeinsamen Kampf, eine Verbindung? 

Gibt es ein „afropäisch“? 

Diese Fragen stellte sich der Journalist und Fotograf Johny Pits, der Sohn eines Afroamerikaners und einer weißen Engländerin, und begab sich auf eine Reise durch Europas Millionenstädte in der Hoffnung, Schwarzes Leben in Europa dokumentieren zu können und trotz Unterschiede, die schon bei den verschiedenen europäischen Sprachen beginnen, Gemeinsamkeiten festzustellen. Seine Reiseorte sind dabei Paris, Brüssel, Amsterdam, Berlin, Stockholm, Moskau, Marseille und Lissabon, wobei er oftmals die viel besuchten, weißen Tourismusorte hinter sich lässt und die abgelegenen, teilweise heruntergekommenen Schwarzen Vororte besucht. Pits Reisebericht ist gespickt mit Begegnungen mit verschiedenen Schwarzen und anderen nicht-weißen Personen, sowie mit detailliertem geschichtlichen afropäischem Hintergrundwissen. Dabei fällt ihm auf, dass trotz aller Barrieren zwischen den verschiedenen europäischen Ländern Schwarze in den meisten Orten mit denselben Problemen zu kämpfen haben: sie sind unsichtbar. Ihre Arbeit, ihre Kämpfe und Forderungen, oft auch ihre bloße Existenz werden von der Mehrheitsgesellschaft nicht gesehen. Wie auch in den USA ist es also der Kampf gegen das bestehende System, das als Basis zur Vereinigung dienen kann. Umso wichtiger, dass durch diesen Reisebericht, durch andere Schwarze Literatur und Medien und durch den Black History Month dieser Umstand endlich bekämpft wird.

Johny Pits: Afropäisch. Eine Reise durch das schwarze Europa
Suhrkamp Verlag  -  gebundene Ausgabe 26Euro


Vielleicht war hier etwas für euch dabei, um den Black History Month zu nutzen. Zum Abschluss möchte ich aber noch eine Sache erwähnen, von der ich glaube, dass wir sie nicht vergessen sollten: der Black History Month kämpft nicht darum, die Repräsentation von Schwarzen Menschen in einem Monat zu erhöhen, sondern in allen. Wir sollten vermehrt schauen, von wem wir Bücher lesen und von wessen Lebensrealitäten und Gedanken wir uns dementsprechend beeinflussen lassen. Davon profitieren wir alle.




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Saskia Heegardt hat Pädagogik und Islamwissenschaften im Bachelor an der Uni Kiel studiert. Aktuell studiert so dort im Master Migration und Diversität. Gleichzeitig sammelt sie erste Arbeitserfahrung als Sozialpädagogin in einer Migrant*innenselbstorganisation. Schon während ihrer Jugend interessierte Saskia sich für politische und gesellschaftliche Gerechtigkeitsfragen, aber erst im Studium hat sie gelernt, ihnen aktiv nachzugehen: sie war ein Jahr lang Teil des Bundesgremiums des pluralistischen Netzwerks Junge Islam Konferenz, hat ehrenamtlich Deutschunterricht gegeben und auch wenn sie jetzt nicht mehr Mitglied der SPD ist und diesen Teil als „dunklen Fleck“ in ihrem Lebenslauf betrachtet, war sie zwei Jahre lang Mitglied im örtlichen Kreisvorstand der Jusos.Ihre Liebe zu Büchern hat sie im Studium wiederentdeckt. Dabei ist ihr aufgefallen, welchen Einfluss Romane und Sachbücher auf gesellschaftliche Debatten haben können. Seitdem liest und rezensiert sie vor allem feministische Arbeiten - in der Hoffnung, dass ihr Einfluss so entfaltet werden kann.




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