Feministischer Buchclub #01 | Untenrum frei von Margarete Stokowski

  It's about time, Leute. Hier ist er, unser Buchclub, den wir selbst so dringend gebraucht hätten und auch jetzt noch dankend annehmen ...

 It's about time, Leute. Hier ist er, unser Buchclub, den wir selbst so dringend gebraucht hätten und auch jetzt noch dankend annehmen und füllen. 🌿 Wer eine feministische Perspektive übersieht, kann die vorherrschende Politik, unsere Kultur, Dynamiken und Ungleichheiten innerhalb der Gesellschaft, Gewohnheiten in unserem Alltag und Kategorien in unserem Denken nie vollständig verstehen, davon sind wir überzeugt. Feminismus, das wissen wir längst, ist noch lange kein abgeschlossenes Projekt, gleichzeitig aber sehr oft missverstanden. Die Entwicklungen der letzten Jahre haben aber gezeigt, dass es ganz notwendig ist, einen genauen Blick auf Geschlechterstrukturen und Ungerechtigkeiten zu werfen. Um Politik zu verstehen und Handeln zu verändern muss man aber vor allem: Verstehen. Das wollen wir mit euch gemeinsam. Zwischen Gewalt gegen Frauen, der Frage, ob es den Equal Pay Gap wirklich gibt bis hin zu feministischer Außenpolitik. Davon, ob wir uns Feminist:innen nennen müssen, um welche zu sein, von Sex, Sprechmacht und Altersarmut, von Weiblichkeit, von Männlichkeit, von Kategorien und Mutterschaft zu Slutshaming, Männerwelten und Hate Speech, Repräsentanz und Intersektionalität,. Wir sprechen über Autor:innen und ihre Werke, die uns ihre Geschichte erzählen oder erklären, was uns alle angeht: Geschlechtergerechtigkeit.

In dieser ersten Rezension stellt euch Laura das erste Buch, nämlich Margarete Stokowskis "Untenrum frei" vor. Wie der Buchclub verläuft und welche Möglichkeiten der auch aktiven Teilnahme es gibt, werdet ihr über unseren Instagram Kanal erfahren.



Wenn ich das Wort Feminismus höre, bin ich so jaaaa, jaa bitte, loos! Den Leuten aus meiner Internetblase geht es ähnlich und auch im Freundeskreis kommt das Thema immer häufiger auf. Für ein paar andere klingt das Wort immer gleich nach Hass. Nach was Schlimmen. Radikal auf jeden Fall. Wenn ich mir die Politik anschaue, in Chefetagen (in die ich natürlich nicht wirklich schauen kann) oder meine Post öffne, in der immer noch „Lieber Kunde“ als Begrüßung steht, dann finde ich das nicht mehr so toll. - Von links und rechts, in der U-Bahn und beim Geburtstag von Oma. Da gibt es manchmal so kurze Momente, wo ich den Podcast leiser stelle, und mir denke „Hab‘ ich das jetzt grad richtig verstanden? Die Person ist doch vielleicht grad mal 18 …“. Da höre ich zum Beispiel, wie Frauen selbst, andere Frauen schlecht machen oder veraltetet Klischees bedienen. Okay, zugegeben, mit 18 habe ich mich auch noch nicht mit Feminismus beschäftigt, aber ich habe auch nicht alte Denkweisen in der U-Bahn verbreitet.


Margarete Stokowski über Feminismus

„Für mich bedeutet Feminismus, dass alle Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Sexualität und ihrem Körper dieselben Rechte und Freiheiten haben sollen.“, schreibt Margarete Stokowski. Wer schon mal Feminismus gegoogelt hat, durch Bücherläden stöbert oder ab und zu den Spiegel liest, hat von Margarete Stokowski mit hoher Wahrscheinlichkeit schon gehört. Mit ihren Kolumnen (bis 2015 in der taz, aktuell wöchentlich bei Spiegel) sorgt die 35-Jährige nicht immer für Zuspruch. Sie ist direkt. Sie sagt ihre Meinung. Und das sind nun mal nicht immer nur die schönen Meinungen. Ziemlich oft sogar kritisiert sie. Margarete Stokowski ist gegen klassische Rollenbilder, zu viel Macht und diskriminierende Sprache. Ihr erstes Sachbuch „Untenrum frei“ (2016) beschäftigt sich mit genau diesen Themen.


“Das "Untenrum" ist der Sex und das "Obenrum" unser Verständnis von uns selbst und den anderen - und beides gehört zusammen: Untenrum frei zu sein bedeutet Freiheit im sexuellen Sinne.

Es bedeutet zu wissen was uns gefällt und was wir uns wünschen, und es bedeutet, uns das Begehren zu erlauben, das in uns ist - immer so weit, dass die Freiheit der anderen respektiert bleibt.

Obenrum frei zu sein bedeutet Freiheit im politischen Sinne: frei von einengenden Rollenbildern, Normen und Mythen.”


Typisch Mädchen, typisch Jungs

In „Untenrum frei“ beschreibt Stokowski unter anderem Situationen aus der Kindheit und Jugend. Sie kritisiert „Tipps, wie du deinen Schwarm beeindruckst“, die heute noch immer, so oder so ähnlich, in der Bravo gedruckt werden. Als kleines Kind hatte sie selbst eine genaue Vorstellung davon, was sich für ein Mädchen gehört. Die alten Klamotten ihres Bruders und der kurze Haarschnitt gehörten definitiv nicht dazu. Und ja klar, will sie als Mädchen mit Polly Pocket spielen. Als sich ihre Freundin Lina irgendwann mehr für die Ninja Turtles als für die kleinen Plastikpuppen interessiert, wird sie als Junge abgestempelt.

Immer mehr Eltern versuchen diesem klassischen Rollenbild auch entgegenzuwirken, wollen ihr Kind einfach spielen lassen, womit es will. Gleichzeitig stellen aber auch sie einer schwangeren Frau zuerst die Frage „Und was wird es?“. Sie packen das Baby damit in eine Schublade, bevor es überhaupt geboren ist.


Hässliche Sprache durchs Gendern

Mit #gendergaga, teilt nicht nur HansWurst63 seine Meinung auf Twitter. Mit diesem oder ähnlichen Hashtags unterstreichen viele ihre Sorgen, um die Schönheit der deutschen Sprache. Margarete Stokowski sagt dazu: „Leute, die sich nie im Leben um die Schönheit von Sprache geschert haben, bemühen ein plötzlich erwachendes ästhetisches Empfinden bezüglich der Anmut von Wörtern?“ Sie ist der Meinung, die typische Präzision dieses Landes, soll doch bei der Sprache nicht plötzlich vernachlässigt werden. Man könne doch nicht einfach ganze Gruppen von Menschen in der Sprache vergessen oder heutzutage immer noch rassistische Begriffe benutzen.

Auch 2021 noch aktuell

Klischees und gendergerechte Sprache, das sind nur zwei Themen aus „Untenrum frei“. Stokowski spricht noch so viel mehr an, bei dem die Leser:innen nur kopfschüttelnd dasitzen, ihre Denke von früher wiedererkennen oder sich ertappt fühlen. Ja, manchmal ist es anstrengend, auf alles und jede:n Rücksicht zu nehmen oder sich von altem Klischeedenken zu lösen, das meistens unterbewusst und so tief in uns verankert ist. Wir haben aber noch gar nicht über faire Bezahlung von Mann und Frau gesprochen. Oder über die Sexualisierung von Frauen in der Werbung. Im Biologieunterricht in der Schule wird sie dann aber wieder vernachlässigt. Und was ist mit nicht-binären Personen? Oder allen anderen? Männern werden Eigenschaften, wie Stärke, Disziplin und Erfolg zugeschrieben. Frauen sind zurückhaltend, schön und zickig, wenn sie ihre Tage haben.


„Untenrum frei“ ist kein gehobener Zeigefinger. Vielmehr ist es ein super Buch für Einsteiger:innen.


Warum Feminismus immer noch wichtig ist, beschreibt Margarete Stokowski in „Untenrum frei“. Das Sachbuch ist perfekt für den Einstieg ins Thema und alle, die noch davon überzeugt werden müssen.


Einstieg in den Feminismus

„Untenrum frei“ ist kein gehobener Zeigefinger. Vielmehr ist es ein super Buch für Einsteiger:innen ins Thema. Margarete Stokowski schreibt locker und lustig, aber auch ernst und klug. Die zahlreichen Beispiele und Situationen, die teilweise aus dem Leben der Autorin gegriffen sind, beschreiben die Realität, wie sie manch eine:r vielleicht noch nicht wahrnimmt. Die unterbewusste Benachteiligung anderer Gruppen ist so tief im Menschen verankert, dass man es niemandem vorwerfen kann, ab und zu Fehler zu machen oder klischeehaft zu denken. Beschäftigt man sich aber mit dem Thema, wird es mehr und mehr zur Normalität. Gendern passiert dann ganz automatisch und stört auch gar nicht mehr.

Stokowski schreibt, dass sie lange dachte, sie müsse einen bestimmten Kanon feministischer Literatur gelesen haben, um sich Feministin nennen zu können. Aber kein Mensch kann alles über ein bestimmtes Thema wissen. Wer aber noch ganz wenig weiß, kann mit „Untenrum frei“ definitiv gut anfangen.



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Laura Quellenberg begeistert sich für Kultur, Medien und Literatur. Egal, ob Konzerte, Museen oder Theater. Egal, ob Klassiker oder Sachbuch. Alles verschafft ihr neue Ideen. Stift, Papier und mindestens zwei Bücher sind nie weit entfernt. Ihr Zuhause ist das Ruhrgebiet. Dort studiert Laura zurzeit Journalismus und Public Relations. Schon immer liest und schreibt sie gerne. Und seit Kurzem teilt sie diese Gedanken auch auf ihrem eigenen Blog. Bei Sans Mots beschäftigt sie sich mit Literatur zum Thema Feminismus. 



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