KUNST | Caroline Walker und der Blick in die unsichtbare Arbeit
Sonntag, Februar 13, 2022Ich betrachte die Bilder in Caroline Walkers Ausstellung Windows, die vom 28. August 2021 bis 28. November 2021 im Kunstmuseum KM21 in Den Haag zu sehen war. Den Titel ihrer ersten Solo-Ausstellung erklärt die schottische in London lebende Künstlerin (geb. 1982) wie folgt:
“The window has been a motif in my work for at least ten years or so. Primarily it’s a compositional device that literally frames what I want a viewer to look at. In a lot of my paintings there’s always something you have to look through or past to get to the subject of the work. You’re almost like a voyeur I suppose, looking in on others lives.”
So ist auch das Leitmotiv der Ausstellung das Fenster: „a classic motif in art, which also serves as a metaphor:
"the painting as a window on the world or a window as a reflection of reality.”
Einige der Bilder bieten nicht nur metaphorisch, sondern tatsächlich einen (Ein-)Blick durch ein Fenster in das Leben der dargestellten Frauen. Denn diese sind es ,mit denen sich Walker auseinandersetzt. Die 20 Bilder sind eine Einladung innezuhalten und zu reflektieren, wie wir auf andere Menschen und insbesondere Frauen blicken.
Zunächst fällt es mir gar nicht auf, dass die Frauen auf den Bildern Masken tragen, so sehr ist die Pandemie bereits zur alltagsgestaltenden Normalität geworden. Ein anderes Bild zeigt Walkers Nachbarin, die mit ihrem Hund während des Lockdowns zu Beginn der Pandemie spazieren geht. Das Bild macht die Enge und Begrenzung, die vor allem Stadtwohnungen mit sich bringen, sichtbar und zugleich erfahrbar.
In einem Interview weist Walker explizit darauf hin, dass die Pandemie einmal mehr gezeigt hat, dass Berufe, in denen vorrangig Frauen arbeiten, essentiell sind: Carearbeiter:innen wie Krankenpfleger:innen oder Erzieher:innen aber auch Verkäufer:innen. Sektoren, die weiblich dominiert sind, in denen zugleich prekäre Arbeitsverhältnisse herrschen waren jene, die die Versorgung in der Pandemie sichergestellt haben und dies nach wie vor tun.
So spiegeln Walkers Bilder nicht nur die aktuelle Corona-Pandemie wider, sie dokumentieren die Rolle der Frau in der Gesellschaft.
Denn bereits vor der Pandemie hat sich Walker insbesondere mit Frauen und ihrer Arbeit auseinandergesetzt. Anders ausgedrückt der frauenspezifischen Arbeit. Insbesondere seit 2016 inszeniert Walker ihre Bilder nicht mehr, sondern hat einen dokumentarischen Stil entwickelt. So besuchte sie bewusst Frauen in ihrer (Arbeits-)Umgebung und lernte sie persönlich kennen, bevor sie ihre Portraits anfertigte.
Aus dieser Serie stammen beispielsweise die Bilder einer geflüchteten Frau, in ihrer neuen, eigenen Unterkunft. Ebenso wie jenes einer Putzkraft in einem Hotel. In einem Interview erzählt sie, wie sie sich während des Malprozesses dem Privileg, das sowohl ihre Mutter als auch sie selber haben, bewusst geworden ist. Während die vorigen Generationen an Frauen ihrer Familie selbst als Putzkräfte gearbeitet haben und für das Putzen fremder Häuser bezahlt wurden und zusätzlich noch unbezahlt das eigene Haus geputzt haben, müssen ihre Mutter und sie nicht mehr gegen Bezahlung fremde Häuser putzen. So finden sich in der Ausstellung auch sehr persönliche Bilder, in denen Walker ihre Mutter, Schwester sowie ihre eigene Tochter in ihrer häuslichen Umgebung zeigt.
Während einige von Walkers Bildern eine bewusste Beschäftigung mit einzelnen Personen darstellen, sind andere eine voyeuristische Momentaufnahme.
Es sind Blicke in Friseursalons oder ein Hochzeitsmodegeschäft, die Walker realisiert. Spannend ist der Kontrast der realen Frauen und den Modepuppen und Werbeanzeigen, in denen Frauen dargestellt werden. Während es im echten Leben passieren kann, sich in medialen Illusionen idealisierter Frauen zu verlieren, passiert es mir mit Walkers‘ Bilder nicht. Im Gegenteil, gerade dieser Kontrast lässt mich mit den echten, nicht unbedingt idealtypischen Frauen sympathisieren. Jene sind es mit denen ich mich identifizieren kann und auch will.
Caroline Walker gelingt es mit ihren Bildern nicht nur die häufig als unsichtbar bezeichnete Arbeit, welche vorrangig von Frauen erledigt wird, sichtbar zu machen. Sie schafft es auch, mich dazu anzuregen, mich mit den Frauen auseinanderzusetzen. Mich zu fragen, wer sie sind, ganz unabhängig von der Arbeit, die sie auf den Bildern teilweise verüben. Wovon träumen sie genau in diesem Moment? Worüber unterhalten sie sich? Was ist ihre individuelle Geschichte?
Es gelingt Walker, also nicht nur Arbeit sichtbar zu machen, die häufig verborgen bleibt oder bewusst nicht gezeigt wird, sie gibt dieser Arbeit Gesichter.
Statt der Dienstleistung steht das Individuum im Vordergrund, mit welchen die Bilder einladen zu sympathisieren.
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